Im Althochdeutschen und zu Beginn des Mittelhochdeutschen war w ein
bilabialer Halbvokal, was die Formen ahd. seo " See" Gen. sêwes, mhd. se,
G. sewes bezeugen (der Halbvokal w wurde im Wortauslaut vokalisiert ), (
auch heute Virchow, Pankow ).
Im XIII Jh. entwickelt er sich zum labiodentalen stimmhaften Geräuschlaut.
II. Vokalismus
1. Von drei Arten des Vokalwandels der deutschen Gegenwartssprache ist der
Ablaut die älteste.
Der Ablaut ist ein spontaner Vokalwandel. Er ist allen germanischen
Sprachen eigen und hat seinen Ursprung im Indoeuropäischen,( Im Russischen
-íåñòè- í¸ñ, âåçòè -â¸ç-âîç, íîøà ). Der Ablaut ist der Wandel des
Stammvokals bei der Bildung der Grundformen der starken Verben :
I. ahd. scriban - screib - scribum - giscriban
II. biogan - baug - bugum - gibogan
III. werdan - ward - wurtum - wortan
Der Ablaut ist auch ein Wortbildungsmittel, z.B.
ahd. hano " ïåòóõ "- " huon " " Huhn ", auch im Suffix : Nibelungen -
Karolingen.
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Ein anderer Vokalwechsel ist die Brechung. Das ist ein assimilatorischer
Vokalwandel, auch Vokalharmonie genannt. Die Brechung ist die Hebung bzw.
Senkung der Stammsilbenvokale unter dem Einfluß der Vokale der
nachfolgenden Silben, also eine regressive Assimilation. Sie war allen
altgermanischen Sprachen eigen.
Die Hebung des e zu i geschah durch Einwirkung der Vokale der hohen
Zungenlage i oder j der folgenden Silbe und vor n + Konsonant :
lat.: ventus - ae.,as. wind, ahd. wint " Wind "
ahd. erda - irdisk " irdisch ".
Die Senkung des Phonems i zu e geschah vor dem Vokal der tiefen Zungenlage
a :
lat. piper - ahd. pfeffer
lat. sinapis - as. senep " Senf ":
Unter ähnlichen Positionsbedingungen vollzog sich der Wechsel von a und u :
ahd. helfan - half - hulfum - giholfan
beogan - biugu
In der deutschen Gegenwartssprache lebt die Vokalharmonie im Wechsel der
Vokale e/i fort : ich gebe - du gibst < gibis - gibt < gibit
Erde - irdisch, Berg - gebirgig, " Gebirge "
Die Brechung enstand vermutlich im I. Jh. u. Z. und war in der ahd.
Periode schon eine historische Erscheinung, d.h. sie trat nicht in allen
Fällen ein :
geholfan, geworfan aber gibuntan, funtan ( gefunden )
Ein so zusagen lebendiger Vokalwechsel war im Ahd. der Umlaut. Das ist
wie auch die Brechung ein assimilatorischer Vokalwandel, noch eine Art
der Vokalharmonie.
Der Umlaut hatte für die deutsche Sprache eine besondere Bedeutung. Im
Ahd entwickelte sich der Umlaut nur von dem kurzen a, das unter dem Einfluß
des i oder j der folgenden Silbe zu e wurde :
ahd. gast - gesti, kraft - krefti, alt - eltiro, faru - feris - ferit.
Der Umlaut erscheint im VIII Jh. in den nordfränkischen Dialekten, dann
verbreitete er sich südwärts. Aber es gab im Ahd. viele Hinderungen für die
Entwicklung des Umlauts a > e : a wurde nicht umgelautet vor ht, hs,rw.
ahd. maht - mahtig, garwan - garwit ( gärbt ) wahsan - wahsit.
Die Umlauthinderungen wurden zu Beginn der mhd. Periode beseitigt, so daß
seit dem XII Jh. auch hier der Umlaut eintrat. Er wurde als ä bezeichnet (
der sogenannte Sekundärumlaut ) : mähtig, wähset, gärwat u.a.
Gegen Ende der ahd. Periode entwickelte sich auch der Umlaut des langen u
: hus - hiusir, mus - muisi.
In der mhd. Zeit wurden auch die übrigen Vokale umgelautet : das lange a
zu æ, das kurze o zu ö, das lange o zu oe, das kurze u zu ü :
ahd. spati - mhd. spæte - nhd. spät
mahti möchte möchte
skoni schoene schön
wurfil würfel Würfel
So wurden die umgelauteten Vokale aus den Varianten der Phoneme zu
selbständigen Phonemen ( d.h. sie übernahmen eine sinnunterscheidende
Funktion ) wurden phonologisiert. Der Umlaut ist der Übergang der Vokale
der vorderen Reihe e, ö, ü unter der Einwirkung von i / j der folgenden
Silbe. Deshalb nennt man ihn noch i- Umlaut.
2. In der mhd. Zeit vollzieht sich die Abschwächung der unbetonten Vokale.
Die langen
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und kurzen Vokalphoneme a, o, u, e, i der unbetonten Silben sind zu e [ ]
abgeschwächt oder gänzlich geschwunden.
a) Abschwächung der Vokale :
ahd. taga - mhd. tage, gesti - geste, namum - namen
b) Schwund der Vokale am Wortende ( Apokope ) oder in der Wortmitte (
Synkope ) :
ahd. großiro - mhd. groe3er, herison - hersen.
3. Diphtongierung, Monophtogierung, Erweiterung der alten Diphtonge ei, ou.
Einige Neuerungen im System vokalischer Phoneme waren in den einzelnen
Territorialdialekten bereits in der mhd. Zeit entstanden, aber sie bekamen
erst in der fnhd Sprachperiode allgemeinere Ausbreitung und prägten somit
das fnhd. phonologische System. In der Folgezeit bestimmten sie den
Charakter des Nhd.
Im XII. Jh. beginnt im äußersten Südosten, in Kärnten, der Wandel der
langen Vokale der hohen Zungenlage i, u, iu [ y: ] zu Diphtongen :
ï > ei [ae ] - mhd. mín > fnhd. mein, ís > eis,
drí > drei
û > au - ûf > auf, hûs > haus
tûbe > Taube,
brûchen > brauchen
iu [y: ]> eu hiute > heute, liute > leute
diutsch > deutsch.
Im Laufe des XII - XVI Jh. dehnt sich die Diphtongierung über den
gesamten hochdeutschen Sprachraum aus und wird zum Kennzeichen der
hochdeutschen Dialekte. Den alten Vokalstand bewahren die Schweiz ( vgl.
die Benennung der Schweizer Landessprache Schwyzer tütsch -
Schweizerdeutsch ), Elsaß , der niederdeutsche Sprachraum und einige
angrenzenden Gegenden des Mitteldeutschen. Da die Diphtongierung auch zum
Kennzeichen der werdenden gemeindeutschen Literatursprache wird, nennt man
sie " die neuhochdeutsche Diphtongierung " .
Gleichzeitig mit der Entwicklung neuer Diphtonge vollzieht sich im
Bairisch- Österreichischen auch die Erweiterung alter Diphtonge ei > [ ae
], ou> au, die mit den neuen Diphtongen zusammenfallen :
mhd. ein > fhnd. ein [ aen], teil > [ tail ]
vgl. mín - mein , drí - drei.
Gleichzeitig mit der Entwicklung der Diphtongierung entwickelt sich im XI-
XII Jh. in den mitteldeutschen Mundarten ( ein entgegengerichteter
Lautwandel ) die Monophtongierung der Diphtonge ie, uo, üe :
ie > ie [ i: ] - mhd. hier > fnhd. hier [ i: ]
fliegen fliegen
uo > u guot gut
buoch buch
üe > ü güete güte " Güte "
süe3e süß
Die Diphtongierung ergreift nur einen Dialekt des Oberdeutschen - das
Südfränkische. Alle anderen oberdeutschen Dialekte bewahren die alten
Diphtonge mit der Tendenz zur Entlabialisierung : z.B. schen für schön,
glik für Glück.
Die Diphtongierung, die Erweiterung der alten Diphtonge ei, ou und die
Monophtongierung hatten eine große Bedeutung für die werdende
gemeindeutsche Sprache. Sie prägen das phonologische System der deutschen
Literatursprache. Sie prägen das phonologische System der deutschen
Literatursprache der Gegenwart.
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4. Positionsbedingte Dehnung und Kürzung der Vokale ( 100 ).
Im XII -XVI Jh. ändert sich die Vokaldauer in vielen Wörtern.
Der Vokal wird auch gedehnt :
ahd. neman, mhd. nemen > nehmen.
faren faren fahren
namo name Name
Der Vokal wird auch gedehnt, wenn die Silbe geöffnet werden kann :
ahd. tag, mhd. tac - nhd. Tag - Tages - Tage
Lange Vokale werden vor Konsonantengruppen gekürzt, da diese eine
geschlossene Gruppe bilden :
ahd. brahta > mhd. brahte > nhd. brachte
la33an la33en lassen.
THEMA IX
Das morphologische System der deutschen Sprache in sprachgeschichtlicher
Beleuchtung (aus diachronischer Sicht )
I. Das Verb
1. Die grammatischen Kategorien des Verbs
2. Die morphologische Klassifikation der Verben.
3. Die thematischen und athematischen Verben.
1. Im Ahd. hatte das Verb die grammatischen Kategorien der Zeit, der Zahl,
dr Person, die Kategorie des Modus ( Indikativ, Konjuktiv, Imperativ ).
Aber die Kathegorie des Genus ( Aktiv - Passiv ) war noch nicht entwicklet.
Es fehlte das Passiv.
Die Kategorie der Zeit hatte nur zwei Formen für drei Zeitstufen : das
Präsens, diente zum Ausdruck der Gegenwart und der Zukunft, und das
Imperfekt ( Präteritum ) zum wurde zum Ausdruck der Vergangenheit
gebraucht. Die analytischen Zeitformen Perfekt und Plusquamperfekt
entwickelten sich im Ahd. und Mhd. aus biverbalen Wortgruppen wie haben +
P.II , werden + P.II und sein + PII, in denen das II. noch deklinierbare
Form haben , z.B. Argangana uuârun ahtu daga.( Es waren acht Tage vergangen
).
Die Kategorie dr Zahl war wie auch heute durch den Singular und Plural
vertreten.
Die Katgorie der Person besaß dieselben Formen wie heute :
die erste, zweite und dritte P. im Sg. und Pl.
2. Die morphologische Klassifikation der Verben im Ahd. unterscheidet sich
von der in der deutschen Gegenwart., Wie auch heute gliedert man die ahd.
Verben in starke schwache und unregelmäßige nach der Art der Bildung des
Präteritums. Aber im Ahd. unterscheidet man noch thematische und
athematische Verben nach der Bildung des Präsens.
Starke Verben. Der Terminus "starke "und " schwache " Verben gehört
J.Grimm. Unter starken Verben verstand er jene Schicht der uralten Verben,
die noch auf das Altgermanische zurückkommen, und die das Präteritum mit
Hilfe des Ablauts bilden:
helfan - half - hulfum - giholfan .( Inf. - Präs. Sg. - Präs. Pl. - P.II. )
Man teilt starke Verben in 7. Ablautreihen. Zu den schwachen Verben zählte
J. Grimm die spätergebildeten Verben, die ihre Präteritumformen mit Hilfe
des Dentalsuffixes bilden : dionôn -dionôta.
Thematische Verben bilden das Präsens mit dem Suffix - i im Sg. und - a- im
Pl.:
geban - gibu - gibit- \\ gebamês - gebe - gebant.
Dieses Suffix wird der Themavokal genannt, und die Verben mit diesem Suffix
- die
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thematischen Verben.
Die thematischen Verben sind : alle starken Verben und die schwachen Verben
der 1. Klasse.
Man unterscheidet im Ahd. drei Klassen der schwachen Verben - nach ihrem
stammbildenden Suffix :
I. Klasse - jan - teilen, zellen = thematischen Verben
II.Klasse - ô- diônon, salbôn = athematische Verben
III. Klasse - ê - habên, folgên = athematische Verben
Die thematische Konjugation :
Präsens i / a
Sg. 1. faru Pl. farames gibu gebamês
2. feris(t) faret gibis(t) geb-e-t
3. ferit farant gibit geb-ant
Die athematischen Verben behalten ihr stammbildendes Suffix ô, ê und
erhalten deshalb kein formenbildendes Suffix - den Themavokal.
Präsens Präteritum
1. dionom habem bant - buntum
2. dionost habes(t) bunti - buntut
3. dionot habet bant - buntun
Nach dieser Endung werden sie mi- Verben genannt. Im Mhd. ist die Endung
- m außer Gebrauch gekommen. Nach der Abschwächung der stammbildenden
Suffixe der schwachen Verben der II. und III. Klasse o, e zu e
unterscheiden sich nicht mehr von dem Suffix der I. Klasse. Und seitdem
bilden die schwachen Verben eine einheitliche Klasse.
Infolge der Abschwächung des Themavokals i/a zu e im Mhd. infolge seines
Schwunds in späterer Zeit ist der Ausgleich der Personalendungen der
thematischen und athematischen Konjugation vor sich gegangen. Nur der
Umlaut und die Brechung des Stammvokals in der 2., 3. P. Sg. der starken
Verken erinnert uns heutzutage an die alte thematische Konjugation.
Und die alte Endung - m, zu - n assimiliert, bewahrt nur die Verbform bin
( < bim ).
Zu den athematischen Verben zählt man außer den schachen Verben der II. und
II.Klassen auch die unregelmäßigen Verben und die Präteritopräsentia.
Die Präteritopräsentia werden so bezeichnet, weil ihre Präsensformen alle
Merkmale des starken Präterits haben, und zwar : den Ablaut des Stammvokals
im Sg. und im Pl. und die Nullendungen in der 1.,3. P. Sg.
wi33an Präsens Präterit stígan ( I. Ablr.)
1.P. Sg. wei3 - steig -
1.P.Pl. wi33um stigum
Eigentlich sind ihre Präsensformen die ehemaligen umgedeuteten
Präteritumformen, die früher nicht nur Vergangenheit bezeichneten, sonsern
auch das Resultat der Handlung in der Gegenwart und später die Gegenwart.
Die alten Präsensformen sind nicht überliefert worden, die neuen
Präteritalformen wurden mit dem Ablaut und dem Dentalsuffix - t - der
schwachen Verben gebildet:
ahd. scal - sculum - scolta .
Präteritopräsentia im Ahd. : wi33an, durfan ( bedürfen ), ( k )unnan,
scolan, magan ( vermögen - können ), mugan , toug ( es nützt ), gitar ( er
wagt ), ginah ( es genügt ),
muo33un, eigun ( er besitzt ), an.( er gönnt ).
Die deutsche Gegenwartssprache besitzt 7 Präteritopräsentia : wissen + 6
Modalverben :
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müssen, sollen, können, dürfen, wollen, mögen. Sie haben auch heute im
Präsens die Merkmale des starken Präterits : den Ablaut des Stammvokals und
die Nullendung in der 1., 3.Pl. Sg.
Zu den unregelmäßigen Verben gehören im Ahd. folgende Verben : 1. tuon,
gên, stên; 2. sín; 3. wellen ( wollen )
Die Präsensformen dieser Verben sind unregelmäßig, da sie im Gegensatz zu
den regelmäßigen Verben des Ahd. keinen Themavokal haben, und die
Personalendungen werden unmittelbar an das Wurzelmorphem angefügt. Aus
diesem Grunde nennt man sie athematische Verben. Außerdem haben sie in der
1.P. Sg. Präsens eine archaische gemeinindoeuropäische Personalendung -m (
ai. -mi, griech. - mi, altruss.åñìü ,lat. sum.)
Präsens Singular.
1. tuo -m stê-m( ste-n ) sta-m gê-m (=) gâ-m ( ga-n)
2. tuo-s(t) ste-s(t) sta-s (t) ge-s(t) ga-s(t)
3. tuo-t ste- t sta-t ge-t ga-t
Plural
1. tuo-mes stê-mês gê-mês gâm-es
2. tuo-t ste-t ge-t ga-t
3. tuo-ut stê-n gê-nt gâ -nt
Das Verb tuon besitzt außerdem eine eigenartige Präteritumform, z.B.
1.P.Sg. teta, die durch Reduplikation gebildet ist.
Präteritum
Sg. 1. teta tâtum ( un ) Pl.
2. tâti tâtut
3. teta tâtun
Das P. II. hat die starke Form gitan.
Ñòðàíèöû: 1, 2, 3, 4, 5
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