Die Judenverfolgunfg im Dritten Reich (1941-1942)
I. Einleitung
II. Im Allgemeinen.
III. Polen unterm Hakenkreuz.
IV. Exekutionen im Osten.
V. Die “Aussiedlung” (1942).
VI. Deportationen im Westen.
VII. Auschwitz.
VIII. Deutschland wird “judenrein”.
IX. Literaturverzeichnis.
I. Einleitung.
Die Naziordnung ließ nach sich die Spuren der Verbrechen, die zu jener
Zeit nicht alle für Verbrechen hielten.
Unter Untaten und Verbrechen belegt die Judenverfolgung einen mehr als
bedeutenden Platz.
In dieser Arbeit wird dieses Thema behandelt.
Es besteht ein Risiko, sich bei der Systematisierung von nazistischen
Untaten von dem zu behandelnden Thema zu distanzieren. Deshalb lassen wir
uns alle Verallgemeinerungen entgehen. Wir konzentrieren uns auf Zeugnisse
von unberühmten, aber bestimmten Personen, die den unmenschlichen
Experimenten zum Opfer fielen.
Man kann uns beschuldigen, dass die Zeugnisse einen zu privaten
Charakter haben. Wir sehen diese Beschuldigungen voraus. Unser
Kontrargument ist, dass aus solchen “unberühmten” Zeugen die Armee von
Opfern besteht, die sowieso berühmt ist.
Das muss nicht beweisen werden. Weil die Beweise bis jetzt nicht
“ausgerottet” werden können, obgleich es die Leute gibt, die darauf Augen
zuzudrücken versuchen.
Es lohnt sich den ganzen Umfang der Verwirklichung von der Politik,
die auf der Rassentheorie basierte, an Beispielen von ihren östlichen
(Riga, Warschau, Breslau) und westlichen (Amsterdam, Auschwitz usw.)
Richtungen bei der Losung “judischer Frage” zu zeigen. Wir beschränken uns
auf den Zeitabschnitt 1941 - 1942. Als Epigraph zur Beschreibung einer
jeden Aktion wird die Rede von Nazisleaders angeführt. Dadurch wird ihre
Politik ohne weiteren Kommentar illustriert.
Hoffentlich wird diese Arbeit ein Beitrag zur Ermahnung an die
Ereignisse, die nie vergessen sein müssen.
II. Im Allgemeeinen.
Merke, es gibt Untaten, über
welche kein Gras wächst.
J. P. Hebel
Der 9. November 1938 wird in der deutschen Geschichte für immer ein
Datum der Schande bleiben. In der sogenannten “Reichskristallnacht” wurden
in ganz Deutschland die Schaufenster der judischen Geschäfte
eingeschlagen, die Synagogen angezündet und Zehntausende jüdischer Bürger
in die Konzentrationslager verschleppt. Dieser zentral gelenkte Pogrom war
nur das Vorspiel zum staatlich organisierten, industriell betriebenen
Massenmord an den Juden in Deutschland und allen besetzten Ländern
Europas.
Schon während des zweiten Weltkrieges, als die Kamine von Ausschwitz
noch Tag und Nacht rauchten, verfassten jüdische Augenzeugen Berichte über
das Martyrium ihres Volkes und das Wüten der Mörder. Im Versteck, in
Ghetto und Lagern, vor den Augen des Feindes, unter Lebensgefahr und oft
noch im Angesicht des Todes schrieben die Verfolgten ihre Erlebnisse auf.
Viele versteckten ihre Tagebücher und vergruben ihre Notizen, weil sie
hofften, jemand könnte eines Tages ihre Aufzeichnungen finden, falls sie
selbst nicht am Leben blieben.
Es entstand eine neue Literatur, geboren aus dem drängenden Bedürfnis,
den Mitmenschen kundzutun, was man erlebt und gesehen hatte. Dieses
Bewusstsein der missionarischen Verpflichtung, eine Nachricht zu
überbringen, das heute manchen fremd anmuten mag, war damals aufrichtig
und allgemein. Selbst die Sterbenden baten die Jüngeren, die noch Kraft zu
einem Fluchtversuch hatten, die Botschaft von ihrem Leiden mit
hinauszunehmen in die Welt. Es ist keine nachträgliche Pose, wenn die
Überlebenden schreiben, dass nur dieser Gedanke sie aufrecht hielt, denn
nach dem Verlust ihrer Familie war ihnen der Tod oft vertrauter als das
scheinbar sinnlos gewordene Leben. Die Hölle, der sie ausgesetzt waren,
schien so wahnwitzig, dass sie überzeugt waren, die Welt würde ihr
Fortbestehen nicht einen Tag länger dulden, wenn sie nur die Wahrheit
erführe - ja, diese Welt selbst könnte so nicht bestehenbleiben, in der
dies möglich geworden war.
Die meisten Zeugnisse sind mit ihren Schreiben verschollen. Hier und
da fand man später hinter einer Mauer oder auf einem Dachboden ein
verstaubtes Heft, letztes Lebenszeichen eines Menschen, dessen Spur ins
Nichts führe. Einige Berichte wurden während des Krieges von Flüchtlingen
ins neutrale Ausland gebracht oder unter dem frischen Eindruck der
Erlebnisse in der Freiheit niedergeschrieben.
Jeder Überlebende glaubte etwas ganz Einmaliges und Wichtiges erzählen
zu müssen. Er verstand sich als zufälligen, vielleicht einzigen Zeugen
einer menschenvernichtenden Katastrophe. Damals waren die wenigen, die aus
Auschwitz oder dem brennenden Warschauer Ghetto entkamen, tatsächlich
Sendboten aus einer Unterwelt, von der man noch auf keine andere Art
verlässliche Nachricht empfangen hatte.
Auf Himmlers Befehl wurden zwar vor Kriegsende noch die meisten
Unterlagen seines Amtes vernichtet, aber schon die zufällig erhalten
gebliebenen Dokumente ergeben ein erdrückendes Beweismaterial. Die
Tatsachen sind heute allgemein bekannt oder könnten es zumindest sein, da
inzwischen genügend dieser Akten veröffentlicht wurden.
Die Judenverfolgung, die sich bis zum staatlich organisierten Genozid
steigerte, ist das nach umfang und Systematik sicher furchtbarste
Verbrechen der Nazis, die auch Millionen Angehöriger der slawischen Völker
ermordeten. Die Juden waren die ersten Opfer eines umfassenden
Ausrottungsprogramms zur “rassischen Neuordnung” Europas, das von eimen
siegreichen Hitlerdeutschland verwirklicht worden wäre. Ihr Schicksal
beweist, in welchen Abgrund des Verbrechens die nazistische
Raubtierphilosophie führe. An diesem Beispiel zeigt sich die Krankheit
einer ganzen Epoche. Nicht eine judische, eine deutsche Angelegenheit wird
hier verhandelt.
Mit Hitlers Machtantritt war das Ende der Demokratie in Deutschland
gekommen. Die erste Terrorwelle richtete sich gegen die deutsche
Arbeiterbewegung, in der die Nazis zu Recht ihren entschiedensten Gegner
erkannten. Die Stimme der Vernunft und der Humanität musste gewaltsam zum
Schweigen gebracht werden, bevor die neuen Machthaber ihre Pläne in die
Tat umsetzen konnten. Bald wurden alle politischen Parteien verboten.
Entsetzt erkannten die Verfolgten, dass der Staat das Verbrechen schützte:
Verbrecher hatten die Staatsmacht übernommen. Noch gab es Widerstände in
der Maschinerie, aber die Gleichschaltung hatte begonnen. Eine wüste
antikommunistische und antisemitische Hasspropaganda diente der
Einschüchterung und Disziplinierung der Bevölkerung wie der
psychologischen Vorbereitung weiterer Massnahmen, die den Terror zum
Gesetzt erhoben. Der Errichtung der Konzentrationslager für alle
politischen Gegner des Regimes folgten 1935 die Nürnberger Rassengesetzte,
die den Rückfall ins Mittelalter konstituierten.
1938 demonstrierte der neue Staat seinen kriminellen Charakter in
aller Öffentlichkeit. Der zentral gelenkte Pogrom vom 9. November, der von
der Propaganda als spontane Erhebung der deutschen Bevölkerung hingestellt
wurde, leitete mit Brandstiftung, Mord und Massenverhaftungen eine zweite
Welle von Gesetzten ein. Man nahm den deutschen Juden auf juristischem
Wege die letzten Rechte und entzog ihnen die wirtschaftliche
Existenzgrundlage, um sie zur Emigration zu zwingen.
Nach Beginn des zweiten Weltkrieges wurde der bis dahin erreichte
Stand der antisemistischen Gesetzgebund in vollem Umfang auf die von
Hitlers Truppen überfallenen Länder übertragen. Die polnischen Juden
mussten als erste das Zeichnen des Davidsterns anlegen. Sie wurden in
bewachten Ghettos gefangengehalten, in denen Hunger und Seuchen bald ein
Massensterben auslösten. In den westeuropäischen Staaten begnügte man sich
vorerst mit der Registrierung und der Einführung der
Kennzeichnungspflicht.
Mit dem Überfall auf die Sowietunion begann die nächste Etappe. An die
Stelle der Umsiedlung trat nun die Vernichtung. In allen Dörfern und
Städten von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer wurde die jüdische
Bevölkerung unter dem Vorwand einer Registrierung zusammengetrieben und
bis auf wenige, für die Truppe unentbahrliche Fachkräfte an Ort und Stelle
erschossen. Gelegentlich verwendete man auch Gaswagen, wie sie in
Deutschland bei der “Euthanasie”-Aktion eingesetzt wurden. Gleichzeitig
suchte man nach wirksameren und weniger auffälligen Tötungsmethoden.
An mehreren Orten im besetzten Polen, deren Namen heute die ganze Welt
kennt, wurden besondere Anlagen mit Gaskammern und Krematorien errichtet,
in dennen der Massenmord industriell betrieben werden konnte. 1942
erreichtete die Verfolgung ihre höchste Stufe: das prinzip der Deportation
und Vernichtung wurde auf alle von Hitlerdeutschland besetzten Länder
angewandt. In Polen wurde ein Ghetto nach dem anderen mit barbarischer
Brutalität geräumt und die gesamte Bevölkerung - Männer, Frauen, Kinder
und Greise - in Güterzügen zur Hinrichtung gefahren.
In Westeuropa wiederholte sich dieselbe Tragödie, überall begann nun
die grosse Menschenjagd. Wer nicht freiwillig zum Sammelplatz ging, den
holte die Polizei. Aus allen Himmelsrichtungen des Kontinents rollten die
Transporte in die Todeslager.
In Auschwitz-Birkenau entstand die zentrale Vernichtungsanlage, die
schliesslich eine Tageskapazität von 9000 vergasten und verbrannten
Menschen erreichte. Gleichzeitig befand sich hier das grösste
Konzentrationslager, in dem hunderttausende von Deportierten als
Sklavenarbeiter für die deutsche Grossindustrie gehalten wurden, bis man
auch sie als arbeitsunfähig vergaste oder verbrannte.
Die deutschen Juden hatten den längsten Leidensweg und gingen durch
alle seine Stationen. Sie starben in den Ghettos von Lodz und
Theresienstadt, in den Erschiessungsgruben von Riga und Minsk oder in den
Gaskammenr von Auschwitz und Treblinka. Nach achtjährigem Pariadasein
brachten sie nur noch wenig Widerstandskraft auf, als die Abtransporte
nach dem Osten begannen. Von der deutschen Bevölkerung wurden die
Deportationen - wie alle anderen Verbrecher der Nazis - fast
widerspruchslos hingenommen. Während es in den europäischen Nachbarländern
selbst unter deutscher Besatzung zahlreiche Akte des Protestes und der
Solidarität gab, blieben in Deutschland die Kirchen stumm und Versuche von
Widerstand und Hilfe für die Verfolgten die Ausnahme.
Überall in Europa wurde ein stiller, zäher Kampf um falsche Pässe, um
Waffen und um Obdach für die Untergetauchten gefürt. Aber das stärkste
Beispiel mutiger Auflehnung gab die polnische Judenheit. Es war das
Warschauer Ghetto, das 1943 zur letzten Schlacht antrat für das Recht des
Menschen, wie ein Mensch zu sterben. Die Flamme des Aufstandes griff auf
andere Ghettos und Todeslager über und wirkte bis in die Reihen der
westeuropäischen Résistance als Signal und Ermutigung.
Nach dem Beginn der sowjetischen Gegenoffensive begannen die Mörder,
die Vernichtungslager einzuebnen. Sie liessen auch die riesigen
Massengräber öffnen und die Leichen verbrennen, um keine Spuren ihrer
Verbrecher zu hinterlassen. Gleichzeitig wurden die Vergasungen in
Auschwitz noch ununtergebrochen fortgesetzt, nur vorübergehend
eingeschränkt durch die Bedürfnisse der Kriegswirtschaft, die mit der
Zielsetzung des Rassenwahns in Widerspruch geriet. 1944, zur Zeit der
alliierten Invasion, erfuhr der Massenmord mit der Deportierung einer
halben Million ungarischer Juden seinen grausigen Höhepunkt. Ein Wettlauf
mit der Zeit begann.
Gegen Kriegsende wurden die Insassen der Konzentrationslager auf
Gewaltmärschen ins Innere Deutschlands getrieben. Tausende fanden nich
wenige Tage vor der Befreiung den Tod. Kein Häftling sollte in die Hände
der Sieger fallen. Man fürchtete lebende Zeugen.
Ein Jude, der im besetzten Europa überleben wollte, musste nicht
einem, er musste hundert Toden entkommen. In jeder Stadt, in jeder Strasse
lauerten auf ihn die Menschenfänger. Ihr Netz war eng und undurchlässig,
und wer ihnen einmal entkam, war noch nicht gerettet.
Einige von Zeugen konnten noch rechtzeitig auf legalem Wege ihre
Heimat verlassen. Die meisten hatten einen gefährlicheren Weg. Sie
entkamen den Razzien, flohen aus den Ghettos und brachen aus den
Deportationszügen aus. Sie lebten im Versteck oder mit falschen Papieren,
schlugen sich in neutrale Länder durch oder gingen in die Wälder zu den
Partisanen. Das Lager haben nur die wenigen überlebt, die bessere
Lebensbedingungen hatten, weil sie als Ärzte oder Bürokräfte für die SS-
Verwaltung arbeiteten, oder jene, die erst im letzten Kriegsjahr
eingeliefert wurden und noch besonders widerstandsfähig waren. Jeder von
ihnen hätte eine Odyssee zu berichten.
Die Jahre vergehen, die Spuren von Blut und Asche sind verblasst. Über
der gemarterten Erde Polens und der ehemaligen Sowjetunion, auch auf dem
Boden der früheren Vernichtungslager und Erschiessungsgruben, wächst ein
Gras, und mit ihm wächst die Gefahr des Vergessens.
III. Polen unterm Hakenkreuz.
“Heute, mein Führer, steht das Volk einiger denn je um sie geschart.
Was Sie von diesem Volk fordern werdern, es wird freudig alles in blindem
Vertrauen geben. Es wird in blindem Vertrauen dem Führer folgen. Wie ein
stählerner Block im glühenden Feuer gewaltiger Ereignisse ist heute die
Einheit Deutschlands.
Das Volk geht dorthin und wird dorthin marschieren, wohin Sie die
Richtung geben. Sei es zum erwünschten Frieden, sei es aber auch zum
entschlossensten Widerstand.
Niemals aber haben wir, das deutsche Volk, freudiger und überzeugter
und entschlossener den Willen bekundet: Führer befiehl, wir folgen”.
Hermann Göring.
Die Judenverfolgung in Polen beschränken sich natürlich nicht mit dem
Zeitabschnitt von 1941 bis 1942. Sie haben eine lange Vorgeschichte.
Historisch gesehen, die Beziehungen zwischen Bevölkerung Polens und
Deutschlands waren immer gespannt. Davon zeugen zahlreiche lokale
Konflikte, die später in die Kriege übergangen. Territoriale Ansprüche von
beiden Seiten verschärften die Situationen an der Grenze.
Deutschland hat während des zweiten Weltkrieges alle Bilanzen gezogen.
Die ersten Schösse knallten nämlich auf dem Gelände von Polen. Dieses Land
wurde zum ersten Objekt der deutschen Aggression. Die Truppen der
deutschen Soldaten marschierten am 1. September 1939 ein im Einklang mit
Ñòðàíèöû: 1, 2, 3
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